07.10.2020

Das Oberammergauer Passionsspielhaus steht jetzt unter Denkmalschutz

Ohne Pandemie gäbe es weder die international bekannten Oberammergauer Passionsspiele noch deren Passionsspielhaus: Dass das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege den 120-jährigen Theaterbau nun in die Denkmalliste eingetragen hat, hat allerdings nichts mit COVID-19 zu tun. Schützenswert ist das Bauwerk aufgrund seiner besonderen Konstruktion und Gestaltung, der seltenen Technik im Bühnenhaus und seiner hohen geschichtlichen Bedeutung für das Volks- und Laientheater.


Die Tradition der Spiele geht auf das Pestjahr 1633 zurück, als die Oberammergauer Bevölkerung das Gelübde ablegte, alle zehn Jahre ein Passionsspiel zu Ehren Gottes aufzuführen. Seit 1634 finden die Passionsspiele mit einigen Ausnahmen alle zehn Jahre statt. 2014 wurden sie von der UNESCO in die Liste des Immateriellen Erbes der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen.

„Nachdem die Oberammergauer Passionsspiele bereits zum immateriellen UNESCO-Weltkulturerbe gehören, würdigt der Eintrag des Theaterbaus in die Denkmalliste nun auch ihr bauliches, ihr materielles Erbe. Die Holz- und Stahlkonstruktionen des Passionsspielhauses zählen zu den bedeutendsten Zeugnissen der bayerischen Ingenieursbaukunst ihrer Zeit“, betont Generalkonservator Prof. Dipl.-Ing. Mathias Pfeil, Leiter des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege.

Die Freilichtspiele, die von dörflichen Laienschauspielerinnen und -schauspielern aufgeführt werden, wurden im 19. Jahrhundert auch über die Landesgrenzen hinaus bekannt und lockten berühmte Persönlichkeiten wie Franz Liszt, Richard Wagner, Max Reinhardt, John D. Rockefeller und Henry Ford an. Nachdem die Besucherzahlen auf über 100.000 gestiegen waren, errichtete der Münchner Hoftheateringenieur Max Schmucker 1899/1900 ein neues großes Freilufttheater. Er baute das Zuschauerhaus als hölzerne Ständer-Riegel-Konstruktion mit Stahlfachwerkbogenbindern, die heute zu den ältesten und größten Bayerns zählen. Unter dem basilikal gestuften Satteldach fanden seinerzeit etwa 4000 Zuschauer Platz. Die große Bühne im sogenannten Heimatstil ist ein Stahlbetonbau aus dem Jahr 1930, der für den Massenauftritt konzipiert ist und streng reduzierte neoklassizistische Formen aufweist.

Das Besondere am Passionsspielhaus ist die außergewöhnliche Nähe zwischen Schauspielerinnen, Schauspielern und Publikum. Der Charakter des Volkstheaters wird durch den Verzicht auf jegliche Ränge hervorgehoben. Mit seiner baulichen Gestalt repräsentiert das Oberammergauer Passionsspielhaus eine Sonderform des europäischen Theaters: das Volksschauspiel im Freien, das eine der wichtigsten Wurzeln des Theaters ist.

Bau des Auditoriums 1900 (Foto: Gemeindearchiv Oberammergau)

Das Passionstheater 2010 (Foto: Arno Declair)

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