27.04.2020

Ist das Gottes Haus – oder ein Marktplatz?

WIE 130 TONKRÜGE IN OBERAMMERGAU HERGESTELLT, ZERSTÖRT UND WIEDER ZUSAMMEN GEKLEBT WERDEN.

Barbara Lampe mit ihren Söhnen Benjamin und Tobias vor ihrer Töpferei (Foto: Maximilian Mayet)

Die 71-jährige Barbara Lampe und ihre zwei Söhne Tobias und Benjamin arbeiten Hand in Hand, um über 130 Tonkrüge für die Passionsspiele herzustellen. Diese werden bei der Vertreibung der Händler von Jesus auf der Bühne zerbrochen. Die Töpferei in Oberammergau besteht bereits seit fünf Generation in ihrer Familie. Nur wenige Gehminuten vom Passionstheater entfernt, hat 1903 ihr Großvater Anton Lang, Jesus-Darsteller der Passionsspiele 1900, 1910 und 1922, ihre jetzige Werkstatt gebaut. Dort erzählt uns Barbara Lampe, wie ihr Vater 1960 zum ersten Mal Tonkrüge für die Passionsspiele angefertigt hat. Seitdem hat sich viel getan. 1990 stellte Barbara Lampe jeden einzelnen Krug noch auf der Drehscheibe her.

Mittlerweile werden die Krüge mithilfe einer Negativform hergestellt. Die Eigenkonstruktion ist eine metallverstärkte Gipsform, die mit Ton ausgekleidet wird, der aus dem Westerwald bezogen wird. Eine Hälfte wiegt über 150 kg und so ist Barbara Lampe froh, dass ihre Söhne die schweißtreibende Arbeit überwiegend übernommen haben. Nachdem die beiden Hälften mit Ton ausgekleidet wurden, werden sie zusammengeführt, verputzt und erhalten die Henkel. Dann müssen sie zwei bis drei Wochen trocknen, bevor sie bei über 1000 Grad im Ofen gebrannt werden. Der fertige Tonkrug wiegt 25 bis 30 Kilogramm.

Hier wird die Gipsform mit Ton ausgekleidet (Foto: Maximilian Mayet).

Sind die beiden Hälften der Gipsform ausgekleidet, werden sie zusammengeführt (Foto: Maximilian Mayet).

Anschließend werden noch die Henkel angebracht, bevor der Krug dann trocknen muss und anschließend gebrannt wird (Foto: Maximilian Mayet).

Die fertigen Tonkrüge im Passionstheater (Foto: Franziska Zankl)

Barbara Lampe findet es schön, ein Teil dieses Projekts zu sein und dass alle an einem Strang ziehen. Durch die Verschiebung der Passionsspiele um zwei Jahre kommt Barbara Lampe nun in einen besonderen Genuss: Da sie demnächst in Rente geht, werden die Tonkrüge jetzt noch fertig gestellt. So hat sie 2022 mehr Zeit zu Proben. Auch Benjamin, einer ihrer Söhne, kann der Verschiebung etwas Gutes abgewinnen. Er ist zwar Oberammergauer, aber da er die letzten vier Jahre nicht im Ort gelebt hatte, war er 2020 nicht spielberechtigt. Die Regularien sehen vor, dass nur Oberammergauer oder Personen, die bereits 20 Jahre dort wohnen, ein Mitwirkungsrecht erlangen. Zusätzlich muss man zwei Jahre vor der Passion in Oberammergau gemeldet sein. 2022 erfüllt er die Vorschriften und ist somit spielberechtigt.

Vertreibung der Händler aus dem Tempel (Foto: Arno Declair, 2010)

Geklebter Krug von 2010 (Foto: Frederik Mayet)

Nachdem Jesus die Krüge bei der Vertreibung der Händler aus dem Tempel zerbrochen hat, kleben sie die Händler in mühevoller Kleinstarbeit wieder zusammen. Der Arbeitsaufwand hängt davon ab, mit welcher Wucht der Jesus-Darsteller den Krug wirft. Josef Feichtner wird, wie auch schon 2010, als einer der Händler auf der Bühne stehen. „Wenn wir Glück hatten, dann waren es weniger als 10 Teile und wenn wir Pech hatten, dann wurde der Krug völlig zerlegt.“ Als Hilfestellung sind im Inneren des Kruges Linien mit roter Kreide aufgemalt, so dass man die Position der Scherben leichter bestimmen kann. Mehrere Stunden Arbeit in der Händlergarderobe sind von Nöten, um die Krüge wieder zu kleben. Dann werden Sie von Haupt- und Nebendarstellern unterschrieben und anschließend versteigert. Viele Mitwirkende haben einen solchen Krug als Andenken zuhause. Aus den Erlösen wird ein großes Dorffest organisiert, sie kommen aber auch sozialen Projekten zu Gute.

Text: Maximilian Mayet, Jenny Greza

Fotos: Maximilian Mayet, Franziska Zankl, Arno Declair, Frederik Mayet

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