DER OBERAMMERGAUER SEBASTIAN SCHULTE IST EIN JAHR NACH SEINEM ABITUR DER FOTOGRAF DER PASSION
„Der einzige Weg, großartige Arbeit zu machen, ist, das zu lieben, was man tut.“ Dieses Zitat von Steve Jobs hat sich der Fotograf Sebastian Schulte auf seine Homepage geschrieben. Dass Schulte seine Arbeit liebt, sieht man seinen Bildern an. Seit der Bekanntgabe der Darsteller 2018 begleitet er die Entstehung der Passionsspiele mit der Kamera. Er holt die Gesichter nah heran, in seinen Fotos werden all die Emotionen sichtbar: die Euphorie und Spannung, als die Namen des Ensembles auf die große Tafel geschrieben wurden; die Konzentration und den Zusammenhalt während der Proben; den Schmerz, als die Spiele von 2020 auf 2022 verschoben werden mussten; die Aufbruchsstimmung beim erneuten Probenbeginn. In seinen Gruppenbildern sieht man den Zusammenhalt, egal, ob da eine Reihe Kinder sitzt, die gespannt auf ihren Auftritt warten, oder ob sich die Männer ums Kreuz scharen, um es gemeinsam aufzustellen. Alles wirkt wie sorgsam komponiert, auch wenn Schulte nur das festhält, was er sieht. Aber eben aus seinem ganz besonderen Blickwinkel. Es sind Momentaufnahmen für die Ewigkeit.
Dass Schulte heute im Jahr nach seinem Abitur der offizielle Fotograf der Passion ist, ist kein Zufall. Nachdem er sich 2018 als Mitspieler für die Spiele beworben hatte, rief der zweite Spielleiter Abdullah Kenan Karaca an und fragte, ob er mal kurz ins Passionstheater kommen könne. Sebastian war damals 15 Jahre alt. Im Theater erklärte ihm der Spielleiter Christian Stückl, warum sie ihn bräuchten: Sie sichteten gerade die Bewerbungen der Jugendlichen. „Die meisten hatten Fotos aus dem Kindergarten draufgeklebt, darum wussten Abdullah und Christian nicht, wie die Leute aktuell aussahen.“ Weil Sebastian im Gegensatz zu den meisten anderen nicht nur ein aktuelles Foto auf seiner Anmeldung hatte, sondern auch noch eines, das professionell bearbeitet war, war er ihnen zwischen all den Kinderbildern aufgefallen. Sie fragten ihn, wen er kenne und wie die Leute inzwischen aussähen. Dass er im Gymnasium Ettal bereits offiziell für die Klassenfotos zuständig war und so von allen Schülern und Schülerinnen aktuelle Bilder hatte, ahnten die Spielleiter nicht. Aber es half ihnen natürlich sehr.
Sebastian Schulte beim Fotografieren (Foto: Lukas Schulte)
Nach dieser ersten Begegnung fragte Sebastian Schulte, ob er bei der Darstellerbekanntgabe fotografieren dürfe. Christian Stückl nahm ihn also mit zur Pressekonferenz. Von da an hatte Schulte immer die Kamera dabei, machte auf den Proben Fotos und rund um das Theater. Wie groß die Passionsspiele sind, wusste Schulte, weil er bereits 2010 als Kind mitgespielt hat. Damals hat er zwar noch nicht alles genau verstanden, an das tolle Erlebnis aber erinnert er sich gut. Diesmal spielt er einen Kaiphasdiener. Im Anmeldebogen hatte er angekreuzt, dass er gerne Römer wäre. „Da war ich noch nicht so scharf drauf, mir Haare und Bart wachsen zu lassen“, sagt er. Und lacht. Denn inzwischen ist von seiner einstigen Abneigung gegen zu viel Haar nichts mehr zu spüren: Sebastian ist einer derjenigen, die seit dem ersten Haar- und Barterlass 2019 nicht mehr beim Friseur waren. „Wenn die Haare mittellang sind, fliegen sie immer im Gesicht rum, das ist einfach nervig“, sagt er. „Wenn sie dann länger sind, wird es besser. Und auch mit dem Bart passt das dann.“ Inzwischen ist er froh, keinen Römer zu spielen. Und die langen Haare und der Bart sind so etwas wie sein Markenzeichen geworden.
Christian Stückl bei den Bildbandaufnahmen (Foto: Sebastian Schulte)
Lebendes Bild "Der Tanz um das Goldene Kalb" (Foto:Sebastian Schulte)
Selbstportrait (Foto: Sebastian Schulte)
Mit der Fotografie hat er angefangen, als er 12 Jahre alt war. Damals hat er von seinem Onkel seine erste DSLR-Kamera bekommen. Vorher hatte er schon mit dem Camcorder experimentiert, im Urlaub in Österreich Geier fotografiert. Beigebracht hat er sich erstmal alles selbst, 2018 bekam er dann vom Gymnasium Ettal ein Kunst-Stipendium, mit dem er sich einen Fotografie-Kurs bei Heinz Zak in Scharnitz finanzierte. Schon vor dem Abitur meldete er ein Kleingewerbe an, machte Fotos für den König-Ludwig-Lauf in Oberammergau und das Kloster Ettal. Gerade bewirbt er sich an der Hochschule für Fernsehen und Film in München für den Studiengang Bildgestaltung/Kinematografie. Das Filmen sieht er als nächsten Schritt, der die Fotografie sicher nie verdrängen, aber vielleicht ergänzen kann.
Die Entstehung der Passion 2022 wird er weiter fotografisch begleiten, auch am offiziellen Bildband darf er mitarbeiten. Die Fotografin Birgit Gudjonsdottir hat ihn vor ein paar Wochen gefragt, ob er in ihr Team kommen wolle. Natürlich wollte er, nun dokumentierte er vor Kurzem die Beleuchtungsproben der Lebenden Bilder, damit sie sich schon mal ein Bild von den Kompositionen machen konnte. Auch die Solistinnen und Solisten im Chor darf er portraitieren. Darüberhinaus hat er auch noch einige eigene Ideen. Zum Beispiel experimentiert er damit, zwei Portraits zu einem zu verschmelzen, hat bereits Versuche mit Bildern von sich selbst und seinem Vater gemacht. Vor schwarzem Hintergrund werden da zwei halbe Gesichter zu einem neuen. Ähnliches könnte er sich auch mit den Hauptdarstellern der Passion vorstellen: beide Darsteller einer Rolle zusammenzufügen beispielsweise oder einen Darsteller während der Passion mit Bart und langen Haaren und danach, wieder ohne Bart. Sebastian Schulte ist 18 Jahre alt. Man darf sich sicher sein: Da wird noch einiges kommen!
Text: Anne Fritsch
Fotos: Sebastian Schulte, Lukas Schulte