13.06.2019

Heute Schule, morgen Premiere

David Bender (Foto: Gabriela Neeb)

Was es in Oberammergau bedeutet, eine Hauptrolle zu spielen

Eigentlich wollte er Römer werden. Seiner Mutter zuliebe. Endlich hätte sie einen Jungen mit kurzgeschnittenen Haaren gehabt, einen ganzen Sommer lang. Doch daraus wird nun leider nichts. David Bender, 16, lächelnd unter seinen wilden Locken, sieht nicht so aus, als würde er das sehr bedauern. Muss er auch nicht. Seine Mutter freut sich dennoch. Sehr sogar. Denn er hat eine der 42 Hauptrollen bekommen – und eine ganz besondere noch dazu.

Wie jeder, der bei den Passionsspielen 2020 mitwirken wollte, hat auch David den Fragebogen ausgefüllt, mit dem sich die Oberammergauer bereits seit Ende 2017 bewerben konnten: für die Werkstätten oder die Technik, als Platzanweiser oder in der Garderobe, als Feuerwehrmann oder Sanitäter, als Musiker, Sänger oder eben als Darsteller. „Der Abdullah hat mich dann angerufen – ob ich nicht mal Lust hätte, zum Vorsprechen vorbeizukommen.“ Gesagt, getan – in kleinen Grüppchen testeten Christian Stückl und sein 2. Spielleiter Abdullah Karaca im Passionstheater, „wie sich unsere Stimmen machen“. Schließlich gilt es in Oberammergau nicht nur, seinen Text über eine 70 Meter breite Freiluftbühne zu tragen, sondern auch in ein riesiges Zuschauerhaus hinein, wo sich jeder der knapp 5.000 Zuschauer angesprochen fühlen soll.

Zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Darsteller am 20. Oktober 2018 saß David gerade in der Schule, 11. Klasse. Als dann der Anruf seiner Mutter kam, musste er sich beeilen: „Ich bin Engel, ich muss sofort auf die Bühne!“ Dass besonders Davids Großvater von dieser frohen Botschaft gerührt war, hat einen Grund: „Mein Opa freut sich total, denn er war 1970 Engel. Er hat gesagt, es ist eine totale Ehre.“ Noch dazu, weil Christian Stückl den früheren „Ölberg-Engel“ erst zu den Passionsspielen 2010 zur Hauptrolle gemacht hat. Das bedeutet für David: viel Bühnenpräsenz, zumeist als stiller Zeuge, in einigen Szenen aber auch als wortgewaltige Botenfigur.

Was die große Bühne angeht, ist David cool – schließlich ist er mit seiner Band Auftritte gewohnt. „Respekt hab ich aber schon. Ich hoff, ich krieg’s hin.“ Dass er mit Abstand der jüngste Hauptdarsteller ist – außer ihm geht nur der 19-jährige Judas-Darsteller Cengiz Görür noch zur Schule –, ist für ihn kein Thema. Er genießt es einfach mit dabei zu sein – und findet es schön, dass die Gemeinde in der Passionsspielzeit näher zusammenrückt.

Neben den beiden Schülern sind unter den 21 doppelt besetzten Hauptrollen auch zehn Studenten oder Auszubildende; die restlichen 30 Darsteller sind berufstätig. David wird also nicht der Einzige sein, der zwischen Alltag und Proben springen muss – das ist man hier gewohnt. Eine Kleinigkeit wäre da allerdings noch: „Am 5. Mai ist Matheabitur.“ Elf Tage später feiert Oberammergau Premiere.

Text: Teresa Grenzmann

Die Vertreibung aus dem Paradies - Lebendes Bild der Passionsspiele 2010 (Foto: Brigitte Maria Mayer)

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