23.05.2021

Es wird weitergehen

ES IST NOCH EIN JAHR BIS ZUR PREMIERE DER 42. PASSIONSSPIELE. IN DEUTSCHLAND ÖFFNEN DIE THEATER WIEDER IHRE HÄUSER UND SPIELEN VOR PUBLIKUM. SPIELLEITER CHRISTIAN STÜCKL NIMMT SICH ZEIT, DIE ZURÜCKLIEGENDEN MONATE ZU REFLEKTIEREN.

Spielleiter Christian Stückl (Foto: Gabriela Neeb)

„Theater ist nie zum Selbstzweck gemacht worden, das Publikum war immer wichtig. Wenn wir für 2020 überlegt haben, was wollen wir im Zuschauer erzeugen, dann war die Antwort: Man versucht eine Auseinandersetzung mit der Gestalt Jesu herbeizuführen, das Publikum dazu zu bringen, Jesus neu zu entdecken. In unserer heutigen Gesellschaft muss er viel klarer werden, viel klarer reden und auf die Welt Bezug nehmen. In den Proben hatte ich das Gefühl, bei mir wird Jesus im Augenblick auch ein Verzweifelter an der Gesellschaft.

Zu Anfang der Krise meinten einige, die Krise werde uns verändern, besser machen ... Aber ich habe das Gefühl, keiner weiß, worauf es hinausläuft. Wir befinden uns im luftleeren Raum, man fragt sich: Was ist alles verlorengegangen? Und das Neue hat noch nicht angefangen ... Wir müssen lernen, mit solchen neuen Situationen umzugehen. Vielleicht verschieben sich dann auch die Wertigkeiten in unseren Köpfen, werden wir wieder demütiger. Denn wir dürfen die großen Probleme, die in der Welt herrschen, nicht vergessen, die Schere zwischen Arm und Reich, die immer größer wird.

,Wie kannst du denken, du liebst Gott, wenn du es nicht einmal schaffst, die anderen Menschen zu lieben?‘ Die biblischen Texte sind voll davon, dass Jesus dazu aufruft, unseren Glauben nicht nur in dem zu äußern, was wir sagen, sondern viel mehr auch in dem, was wir tun. Wir jedoch denken immer mehr nur noch an uns. Dass wieder verstärkt Antisemitismus auftritt, dass man fast kein Interesse mehr zeigt an der Flüchtlingssituation, vergisst, wie es anderen geht ... Da sind viele Themen, mit denen wir uns richtig auseinandersetzen müssten. Aber im Augenblick sind wir gar nicht fähig dazu.

Der Glaube ist etwas Schwieriges, weil er so schwer zu greifen ist. Bei Jesus heißt es, ,wenn ihr Glauben habt, könnt ihr Berge versetzen‘ – das wissen wir aber im Augenblick auch nicht. Wir Menschen brauchen nicht immer zu glauben, dass wir unantastbar sind. Es hat die Spanische Grippe gegeben, es hat die Pest gegeben ... Jetzt ist Corona da, ein Gewinn ist es nicht, aber es führt uns einmal mehr vor Augen, wer wir eigentlich sind.

Natürlich wirst du als Theaterleiter mürbe, weil du nicht weißt, auf was du planen sollst. Es hängt an der Anzahl der Spieler – es ist eine Qualität, dass jeder, der hier im Dorf aufgewachsen ist, mitwirken darf. Die Oberammergauer wollen spielen und wir sind optimistisch: Das Passionsspiel wird stattfinden.“

Christian Stückl

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