21.07.2019

Bei Jesus auf dem Sofa

„Passionsspiele? Das ist doch ein konservativer Schmarrn.“ Das denken viele Schüler und Studenten, die von den Oberammergauer Passionsspielen hören. Und: Dass das nur was für Katholiken über 50 sei. Dieses Image zu ändern, das hat sich Christian Stückl für die Passion 2020 vorgenommen und kurzerhand eine große Nachwuchs-Offensive gestartet: die Jugendtage.

Trailer zu den Jugendtagen 2020

1990 war Stückl mit 24 Jahren der jüngste Spielleiter in der Geschichte der Oberammergauer Passionsspiele. Sein Anliegen war von Anfang an, junge Leute, seine Altersgruppe, zurück in die Passion zu kriegen, sie wieder für das kollektive Spiel zu begeistern. „Wenn man nicht jede Generation mitnimmt, sondern sich auf bewährte Darsteller verlässt, entsteht in diesem 10-Jahres-Rhythmus sofort ein Generationenloch“, weiß er. 2020 macht er seine vierte Passion. Sein Engagement für den Nachwuchs ist nicht kleiner geworden, im Gegenteil. Cengiz Görür wird mit 19 Jahren der bisher jüngste Judas-Darsteller, Rochus Rückel mit 23 Jahren Jesus – und auch sonst setzt der Regisseur auf die jüngste Passions-Besetzung aller Zeiten. Die Verjüngung, die er auf der Bühne vorangetrieben hat, soll jetzt auch ins Publikum überschwappen: „Wir haben es geschafft, junge Leute ins Spiel einzubinden. Ein junges Publikum einzuladen, ist der nächste logische Schritt.“

Nach den Antisemitismus-Vorwürfen der 70er- und 80er-Jahre standen lange die Fragen nach der Aktualität der Passion und der Verarbeitung der eigenen Vergangenheit im Vordergrund: Wie kann man Jesus so erzählen, dass die Geschichte wieder relevant wird? Wie verändert die aktuelle gesellschaftliche Lage unsere Sicht auf Jesus? – Bei all diesen notwendigen inhaltlichen Überlegungen habe man sich bislang zu wenig mit der Publikumsbildung beschäftigt, erklärt Stückl selbstkritisch: „Wir haben so viele junge Leute auf der Bühne, aber unten sitzen nur Ältere. Das kann nicht sein.“

Pressekonferenz zur Präsentation der Jugendtage 2020: Frederik Mayet (Jesus-Darsteller und Pressesprecher der Passsionsspiele), Dr. Angelika Winterer (Pastoralreferentin), Christian Stückl (Spielleiter der Passionsspiele), Arno Nunn (Bürgermeister von Oberammergau)

Also wird erstmals ein Kontingent an Studentenkarten angeboten, die 30% günstiger sind als der Normalpreis. Vor allem aber gibt es am Anfang der Saison ein extra Jugend-Wochenende. Vom 7. bis 10. Mai 2020 verwandelt sich ganz Oberammergau in ein großes Jugendcamp. Alle zwischen 16 und 26 Jahren können sich nicht nur zu sehr günstigen Preisen das Passionsspiel anschauen, sie können auch 2- oder 3-Tages-Pakete mit Übernachtung und Verpflegung zum Sonderpreis buchen. 9000 Jugendliche sollen im Ort nicht nur übernachten und kulinarisch versorgt werden, sondern sich willkommen fühlen. Eine Mammutaufgabe für ganz Oberammergau.

„Die Leute im Dorf haben Lust drauf“, erzählt Stückl. Dass das so ist, liegt wahrscheinlich an den guten Erfahrungen, die man mit dem jährlichen Heimatsound-Festival im Passionstheater gemacht hat. Wenn hier 3000 junge Menschen campen können, warum soll das nicht auch zur Passion möglich sein? Oberammergaus Bürgermeister Arno Nunn jedenfalls findet es „genial, was bei uns im Ort passiert“. Die „friedliche generationsübergreifende Atmosphäre“ beim Festival habe schließlich auch die überzeugt, die dem bunten Treiben anfangs kritisch gegenüber standen.

Nun macht sich der Ort also bereit: Hotels und Pensionen stellen günstige Zimmer zur Verfügung, es wird Sammelunterkünfte in Schulen geben, die Darsteller und Mitwirkenden räumen ihre Gästezimmer frei. Die jungen Gäste können wählen, ob sie im Hotel, im Zelt, bei Jesus auf dem Sofa oder beim Bürgermeister im Kinderzimmer schlafen wollen. Ein bisschen sei das dann, wie wenn die erwachsenen Kinder mit ihren Freunden zu Besuch kommen: chaotisch, wenig Schlaf, aber vor allem eine gute Stimmung und schöne Erinnerungen. Eine organisatorische Herausforderung, der sich der Ort gerne stelle, so Nunn: „Wir sind in das Gelingen verliebt“, sagt er und grinst.

Damit das Wochenende nicht nur jung, sondern international wird, werden Einführungen auf deutsch und englisch gehalten. Stückl bemüht sich, die Anreise auch Jugendlichen aus ärmeren Regionen der Welt zu ermöglichen. So weit irgend möglich, soll es keine finanziellen Hinderungsgründe für einen Besuch geben. Ein Rahmenprogramm mit Publikumsdiskussionen, Ortserkundungen, einem interreligiösen Friedensgebet, Sportangeboten und natürlich auch einer Party soll das Ganze abrunden. Stückls ausdrücklicher Wunsch ist es, Jugendliche aus aller Welt, mit verschiedenen Religionen und Hintergründen, nach Oberammergau zu locken: „Alle sind eingeladen. Keiner muss katholisch sein oder werden.“

Pressekonferenz zur Präsentation der Jugendtage 2020: Frederik Mayet (Jesus-Darsteller und Pressesprecher der Passsionsspiele), Dr. Angelika Winterer (Pastoralreferentin), Christian Stückl (Spielleiter der Passionsspiele), Arno Nunn (Bürgermeister von Oberammergau), Walter Rutz (Werkleiter der Passionsspiele)

Text: Anne Fritsch

Fotos: Jenny Greza

Jugendtage der Passionsspiele Oberammergau 2020

7. bis 10. Mai 2020

Infos & Tickets:

www.jugendtage-passionsspiele.de

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